Gedankenspiele, Anregungen und Ideen:
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Gefühls-Epidemie

Gepostet von Esther Matter am Donnerstag, April 4, 2013 Unter: Wohlbefinden

 
In diesen Tagen schwappt wieder eine grosse Nachrichten-Welle zu uns. Es geht um den H7N9-Virus, eine neue Ausprägung der Vogelgrippe. Es geht um Viren, um Ansteckung und um Angst.

Nebst viraler Ansteckung gibt es auch eine so genannte soziale Ansteckung. Das klingt neu, die Phänomene sind allerdings fast jedem bekannt: Gähnt das Gegenüber, ist die Chance gross, selbst gähnen zu müssen. Kugelt sich jemand vor Lachen, ist es schwierig, nicht selber los zu prusten. Solche Übertragungen sind nicht nur bei direkten Begegnungen möglich, sondern funktionieren auch über zwei oder gar drei Ecken von Bekanntschaften. Man spricht von Ansteckungswellen. 

Ein gutes Beispiel dafür ist die "Tanganjika-Lachepidemie", die verschiedentlich erwähnt wird: Am 30. Januar fingen drei Schülerinnen eines Internats im heutigen Tansania plötzlich an zu lachen. Das Lachen nahm bald zwangshafte Züge an. Auch an den folgenden Tagen konnten die Mädchen nicht mehr mit Lachen aufhören. Mitschüler wurden angesteckt. Mitte März litten bereits 95 der 159 Schüler an unkontrollierbaren Lachanfällen. Die Schule musste deswegen geschlossen werden und alle Kinder fuhren heim in ihre Städte und Dörfer. So ging die Ansteckung weiter. Alleine in einem Heimatdorf waren 200 Menschen vom grossen Lachen befallen. Die lokalen Ärzte sprachen von "abnormen emotionalem Verhalten", das sich wie eine Epidemie ausbreitete. Der ganze Bezirk Bukoba wurde angegriffen und mehrere tausend Menschen von der Lach-Krankheit befallen. Erst im Laufe des Jahres 1963 ebbte die Welle des Gelächters allmählich wieder ab. 

Auf der Internetplattform der Badische Zeitung las ich kürzlich einen spannenden Artikel über die soziale Ansteckung. Gemäss diesem Artikel versteht man darunter die Übertragung von Verhaltensweisen und Gefühlen. Offenbar reichen soziale Ansteckungen nie weiter als über drei Ecken - von einer Person aus betrachtet. Über mehrere Stationen kann Niedergeschlagenheit jedoch ganze Gruppen befallen. Mögliche Folgen sind eine Suizidwelle oder zum Beispiel auch, dass eine Partie in einem Teamsport "kippt".

Weiter berichtet der Artikel: Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden verdopple sich unter Arbeitskolleginnen sogar fast im ersten Jahr, nachdem eine von ihnen Mutter wurde. Das habe eine Studie von Familienforschern aus Bemberg mit 42000 deutschen Frauen ergeben. Diese Erfahrung habe ich auch gemacht: Kurz nachdem ich schwanger wurde, hatten zwei ehemalige Arbeitskolleginnen von mir auch kugelrunde Bäuche.

Auch Glücksgefühle sind ansteckend, wie Spiegel Online in einem anderen Artikel berichtet. Die Forscher hatten eine Sammelstudie ausgewertet, in der Gesundheit, Befindlichkeit und soziale Kontakte von mehr als 4700 Erwachsenen über einen Zeitraum von 20 Jahren untersucht wurden. Die statistische Analyse der Daten ergab, dass das Gefühl, glücklich zu sein, ein hochansteckendes kollektives Phänomen ist, das sich entlang sozialer Kontakte in einer Kettenreaktion ausbreitet.

Demnach steigert ein glücklicher Mensch die Wahrscheinlichkeit, dass sein direkter Nachbar glücklich ist, um 34 Prozent. Bei einem in der Nähe wohnenden Freund sind es noch 14 Prozent. Jeder dieser Betroffenen gebe die Emotion wiederum tendenziell an seine eigenen Bekannten weiter. 

Sich auf sich selbst und sein eigenes Glück zu konzentrieren ist so betrachtet gar nicht so egoistisch. Im Gegenteil.


In: Wohlbefinden 



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